In einem Online-Boulevard-Magazin wurde heute ein Interview mit dem Prostituionsgegner Hans Broich (vermutlich zur sensibilisierung) veröffentlicht. Der Interviewte ist seineszeichens Mitglied bei einer Organisation Zéromacho, junger Student der Gartenbauwissenschaften und in der Organisation bestens aufgehoben, ist er doch ein Nullnummer (wegen null Argumenten) mit einer anti-liberalen Attitüde, die eher in (zum Glück) vergangene Zeiten in Deutschland passt. Die Organisation Zéromacho ist ein ideales Beispiel für die neuen Wutbürger, die laut schreien, aber eine Minderheit repräsentieren, hat sie doch weltweit grandiose 2209 Mitglieder. Im Folgenden eine kurze Auseinandersetzung mit seinen „Argumenten“, die den Populisten entlarven wird.
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Zur Erinnerung: Broich befürwortet die Einführung eines Verbots für Freier, inklusive einer Strafe. Solche Regelungen gibt es bereits in Schweden, in Frankreich demnächst und die EU berät darüber, solche Gesetze europaweit einzuführen. Der Haupt-Tenor dieser Sichtweise ist, dass Frauen dadurch geschützt würden, z.B. vor Vergewaltigungen. Sein erstes Argument ist immerhin schonmal inhaltlich richtig, wenn er behauptet „Ohne Nachfrage keine Prostitution„. Das ist aber leider eine Tautologie, wenn man annimmt, dass im Falle der Nachfragelosigkeit nicht die Freier zu Sex gezwungen würden. Damit das Argument überhaupt gezählt werden kann, muss außerdem vorausgesetzt werden, dass Prostitution generell schlecht ist.
Seine nächste Aussage ist zu verallgemeinernd und plakativ und damit ein Nullargument. „Was Freier tun, ähnelt einer Vergewaltigung. Es darf nicht gesellschaftstauglich sein, es ist menschenunwürdig“ sagt Broich. Die Frage ist zunächst was „ähnelt einer Vergewaltigung“ meint. Entweder, es handelt sich um einvernehmlichen Sex, oder nicht. Generell kann es beide Möglichkeiten geben, Prostitution schließt beides nicht aus. Während ersteres vermutlich gesellschaftlich nicht toleriert wird, gibt er kein Argument an, warum das zweite ebenfalls nicht gut geheißen werden sollte und menschenunwürdig ist.
Das Argument der sexuellen Freiheit lässt er nicht gelten, und zwar weil Prostitution nicht auf gegenseitiger Lust basiert. Dies impliziert zunächst, dass sexuelle Freiheit nur dann gegeben ist, wenn Lust (auf Seiten aller Beteiligten) im Spiel ist. Er führt aus, dass die Freiheit verloren geht „sobald Geld eine Rolle spielt„, was primär unabhängig von Lust zu sehen ist. Sexuelle Freiheit kann auf vielen Wegen verloren gehen, nicht nur wegen Geld. Broich meint weiterhin, dass die „Macht des Mannes über den Frauenkörper“ ein zentraler Bestandteil von Prostitution ist. Er gibt keien Quellen hierfür an, ich würde aber bezweifeln, dass das ein Motiv für einen Großteil der Prostition ist, da die Lust (die er ja gutheißt) ein Trieb ist der nicht primär mit Macht verbunden ist (natürlich kann das auch der Fall sein, wie Millionen Hausfrauen die Shades of Grey gelesen haben, wissen). Die Zéromachos tolerieren nur Sex auf Augenhöhe. Dies kann auch bei Prostitution stattfinden. Insgesamt scheint Hans Broich also eine sehr eingeschränkte Wahrnehmung von Sexualität zu haben.
Wie das bei Lobbykämpfen so ist, gibt es auch Befürworter der Prostitution in der Gegenlobby. Dieser spricht er die Glaubwürdigkeit ab, mit der einzigen Begründung sie würden als Bordellbetreiberinnen von der Ausbeutung anderer Profitieren. Mit demselben Argument ist jeder Arbeitgeber unglaubwürdig! Er führt an, dass es Berichte von Aussteigerinnen gibt, die Therapien benötigen. Das stimmt vermutlich, aber die Angabe von Einzelquellen ist als Datenbasis nicht tauglich. Ich wäre sehr an einer Erhebung interessiert, die diese Zusammenhänge genauer untersucht, insbesondere auch ob es freiwilligen Prostitiuerten besser geht als Zwangsprostituierten.
Die Aussage „Es liegt doch auf der Hand, dass die vielen jungen Frauen aus Osteuropa, die kein Wort Deutsch reden, nicht freiwillig im Bordell sind“ empfindet er als Argument. Dass Zwangsprostitution nicht freiwillig passiert ist klar, das sagt auch der Name bereits aus. Es wäre besser diese zu bekämpfen, anstatt hier von Auf-der-Hand-Liegen zu sprechen. Wenn das „Offensichtlich“-Argument gebracht wird, sollte man immer besonders scharf prüfen! Warum sollte das auf der Hand liegen? Die Tatsache, dass sie kein Wort Deutsch reden impliziert nichts, das trifft auf viele Migranten zu, selbst in der 3. Generation noch. Dass sie aus Osteuropa kommen? Ebenfalls nicht. Die Zustände in Osteuropa dürften schlechter sein, als in Deutschland. Womöglich denken sich einige Frauen „Wenn ich schon als Prostituierte arbeite, dann doch lieber in Deutschland, als in Weißrussland“?
Darüber hinaus sei ein Bordell „kein Ort der Freude, sondern der Sklaverei. Fast alle Prostituierten würden sofort aussteigen, wenn sie anders Geld verdienen könnten.“ Für die meisten Menschen dürfte Arbeit generell Sklaverei sein. Ziemlich offensichtlich für die tatsächliche Sklaven- und Kinderarbeit, z.B. in T-Shirt-Fabriken in Bangladesh, aber tatsächlich wohl auch hier. Selbst ich würde aussteigen, dabei habe ich studiert was mir Spaß macht und habe einen Job, den ich gern mache. Aber mal ernsthaft, wenn ich die Wahl hätte: jeden Morgen um 8 Uhr aufstehen muss nicht sein und 8 Stunden am Tag brauch ich das eigentlich auch nicht. Dann nur 28 Tage Urlaub im Jahr und am Ende hat man auch nicht genug verdient um reich zu werden. Da würde ich auch aussteigen. Und was die Putzfrauen hier in der Uni auf den Klos erleben ist imho auch hochgradig Menschenverachtend. Dabei sollen doch alle hier gebildete Leute mit Abitur oder höheren Abschlüssen sein
„Körper ist kein Verbrauchsgegenstand“ fasst er das zusammen. Die Frage hier: wird der Körper verbraucht? Wird er stärker verbraucht als, sagen wir mal, der Körper eines Fliesenlegers? Wer erhält mehr pro Stunde dafür, dass er mit erst mit 67 Rente erhält und dann ein Wrack ist?
Dass die Mehrheit der Prostituierten schon Missbrauch und Gewalt in der Kindheit erlebt hat hat nichts mit dem Thema zu tun. Schon eher die Tatsache, dass sie beim Anschaffen vergewaltigt worden sind. Dies ist nun aber eine Straftat, die verfolgt gehört. Es ist Fraglich ob ein Verbot des Freiens helfen würde. Was in Hinterhöfen von Zuhälterringen passiert wird mit geringer Wahrscheinlichkeit angezeigt und im Zweifel würde vermutlich eine nicht-prostituierte vergewaltigt. Er fordert, dass die Gesellschaft die Frauen nicht im Stich lassen soll, was völlig korrekt ist. Inwieweit das von ihm geforderte Verbot hier tatsächlich hilft und nicht bloß eine „Wir haben was getan, nun haben wir unser Gewissen beruhigt“-Vogel-Strauß-Taktik ist, bleibt er schuldig.
Das natürlich sofort kommende Argument, dass sich die Prostitution in den Untergrund bewegt, schafft er nicht zu entkräften. Die Probleme mit Menschenhandel, die er anführt, werden nicht weniger werden. Die Angst vor Strafe würde die Nachfrage verringern, wie in Schweden. Hier gibt er leider keine Hinweise, ob vielleicht nur der harmlose, legale Teil der Prostitution verschwunden ist und der illegale auf Menschenhandel basierte Teil geblieben ist. In Schweden erstatten Nachbarn und Hotels anzeige (oder: sollen?), wenn sie was verdächtiges merken. Mit der hier propagierten Blockwart-Mentalität, die Denunziation gutheißt, zeigt er seine anti-liberale und ins Faschistoide gleitende Einstellung am deutlichsten. Ähnliches sind wir ja sonst eher von den Grünen gewohnt. Das Verhalten passt aber leider zu den laut schreienden Minderheiten, die für sich Meinungshoheit beanspruchen.
Es bleibt die Frage, ob die Möglichkeit der Anzeige von Freiern weil sie sich ja strafbar machten, etwas bringt. Warum sollte eine Prostituierte einen Freier anzeigen? Vermutlich am ehesten wenn sie misshandelt oder vergewaltigt wird. Das kann sie auch heute schon tun. Wenn das nicht geschieht, dann doch wohl weil zu viel Angst vor den Zuhältern da ist. Das kann sich doch bei in die Illegalität getriebener Prostitution gar nicht verändern! Im Notfall werden aufmüpfige Frauen einfach umgebracht. Eine Menschenschlepper-Mafia, die illegale Bordelle betreibt, wird sich doch nicht von sowas abhalten lassen.
Er schließt mit der Verbindung zur Organisation Femen, deren Aktionen ich oftmals ganz gut finde. „Es gibt kein Grundrecht auf Sex“ fordert Broich mit ihnen gemeinsam. Zunächst mal gibts das gar nicht, die Existenz von Prostitution ist nicht äquivalent zu einem Grundrecht. Außerdem ist es eine schwierige Aussage. Wenn Sex eine weitere Person einschließt ist es kein Grundrecht, schließlich darf man die sexuelle Selbstbestimmung der anderen Person nicht einschränken. Mit der Einführung von virtuellen Sexualpartnern wird sich das wohl auch erledigen. Der Wunsch nach Sex ist aber auch ein Trieb, der nach Erfüllung schreit. Man kann versuchen, den Trieb zu unterdrücken. Es gibt Leute, die das propagieren, die jedoch manchmal beim Anblick von Messdienern Schwäche zeigen. Das ist wohl auch der Grund, warum Prostitution als ältestes Gewerbe bezeichnet wird. Es gibt sie und man kann sie nicht verhindern.
Hans Broich hat eine sehr eingeschränkte Sichtweise und vertritt die zur genüge bekannte Verbotsmentalität, die zur Zeit leider immer weiter um sich greift. Trotz anderweitiger Beteuerungen bekommt man den Eindruck, dass er keine Ahnung hat, wovon er schreibt. Er möchte seine Meinung zum allgemeinen Gesetz erheben, er sollte vielleicht nochmal bei Kant nachlesen
Natürlich ist es richtig, mehr Aufmerksamkeit auf Probleme bei Prostitution zu legen. Es gibt Probleme, mit illegalen Einwanderern, mit Zwang und Missbrauch. Wegschauen und Verbieten hilft nichts, hat noch nie geholfen. Al Capone lässt grüßen.
Viele seiner Argumente sind nur gegen diese vorhandenen Probleme gerichtet, sie ermöglichen keine schlüssige Ablehnung von Prostitution als solcher. Weiterhin sind seine Ansichten nicht nur auf die „offizielle“ Prostitution anwendbar. Seine Vergleiche zu bezahlten Leistungen treffen im Grunde auf die Ehe zu. Männer, die Frauen in teuren Szene-Clubs exquisite Drinks ausgeben um einen One-Night-Stand zu haben, machen nichts anderes. Und die Frauen auch nicht.
Die gegenteilige Ansicht wird komplett ausgeblendet. Reiche Frauen, die sich Männer halten, wie zum Beispiel Madonna mit ihren Toy-Boys. Das Thema ist sogar mittlerweile im Spießer-Mainstream angekommen: Martina Bönisch aus dem Dortmunder Tatort ist regelmäßiger Kunde eines Callboys. Ein schönes Beispiel hierfür ist auch der Film Paradies: Liebe, aber Vorsicht: er ist teilweise ziemlich hart!
Immerhin: Das Thema wird besprochen. Hoffentlich bald sachlicher.